„Jeder hat das Recht auf Leben und körperliche Unversehrtheit. Die Freiheit der Person ist unverletzlich. In diese Rechte darf nur auf Grund eines Gesetzes eingegriffen werden.“
(Grundgesetz für die Bundesrepublik Deutschland, Artikel 2)
„Kinder haben das Recht auf Schutz vor Gewalt, Missbrauch und Ausbeutung.“
(UN-Kinderrechtskonvention)
Der Schutz von Kindern in Kindertagesstätten ist eine zentrale Aufgabe von frühpädagogischen Fachkräften. Frühpädagogische Fachkräfte sind als MitarbeiterInnen einer familienergänzenden Einrichtung dazu verpflichtet, das Kindeswohl eines jeden ihnen anvertrauten Kindes im Blick zu haben. Sowohl der Blick auf das Kind und seine Familie als auch der Blick auf das Kind als Mitglied in der Kindertagesstätte. Es ist nicht immer ganz einfach einzuschätzen, ob eine Kindeswohlgefährdung vorliegt oder nicht. Deshalb gibt es, neben der professionellen Unterstützung vor Ort (z.B. durch pädagogische Fachberatung), gesetzliche Rahmenbedingungen, die die frühpädagogischen Fachkräfte Unterstützung anbieten und Orientierung geben.
Kindeswohl ist ein sogenannter unbestimmter Rechtsbegriff und ist als solcher nicht eindeutig definiert. Dass mit Kindeswohl nicht nur die körperliche, sondern auch die seelische und psychische Unversehrtheit eines Kindes gemeint ist, steht hier außer Frage. In der Regel wird eine körperliche Kindeswohlgefährdung, zum Beispiel durch Verletzungen oder Verwahrlosung eher wahrgenommen, als eine seelische Kindeswohlgefährdung. Denn diese zeigt sich nicht immer sofort und kann sich zum Beispiel auch durch körperliche Symptome oder „auffälliges“ Verhalten bemerkbar machen.
Wichtig zu erwähnen ist an dieser Stelle, dass sowohl die körperliche als auch die psychische Unversehrtheit eines Kindes grundsätzliche Rechte des Kindes und gleichwertig zu betrachten sind.
Das Bürgerliche Gesetzbuch definiert Kindeswohlgefährdung als „Gefährdung des geistigen, körperlichen oder seelischen Wohls eines Kindes“ und die Erziehungsberechtigten scheinen nicht bereit oder in der Lage dazu zu sein, (diese) Gefahren abzuwenden. Wenn diese Situation vorliegt, ist der Staat dazu berechtigt, in das Recht der elterlichen Sorge einzugreifen, um das Wohl des Kindes sicherzustellen.
Der Kinderschutzauftrag ist gesetzlich festgelegt und fußt auf unterschiedlichen Säulen. Das Übereinkommen über die Rechte des Kindes (UN-Kinderrechtskonvention) ist eine davon. Sie wurde am 20. November 1989 von der UN-Generalversammlung angenommen und trat am 2. September 1990 in Kraft. In Deutschland trat sie 1992 in Kraft. Das Recht auf ein Aufwachsen ohne Gewalt ist eines dieser Kinderrechte. Die Bundesregierung sieht derzeit erstmalig und eindeutig die Verankerung der Kinderrechte im Grundgesetz vor.
Der Schutz von Kindern und Jugendlichen vor Gefahren für ihr Wohl ist eine Aufgabe der gesamten Gesellschaft, des Staates ebenso wie der Zivilgesellschaft. Mit dem „Gesetz zur Weiterentwicklung der Kinder- und Jugendhilfe“ (KICK) ist dies zum 1.1.2005 durch Hinzufügung des § 8a SGB VIII geschehen.
Diese Regelung verpflichtet die Jugendämter einerseits, bestimmte Verfahren einzuhalten, wenn ihnen gewichtige Ansatzpunkte für Gefahren für das Wohl von Kindern bekannt werden und andererseits dazu, in Vereinbarungen mit freien Trägern sicherzustellen, dass diese den Schutzauftrag in entsprechender Weise wahrnehmen
(vgl. Maywald/Pfütze/Lohrenscheit 2019).
Weitere Schwerpunkte sind außerdem:
Am 1. Januar 2012 trat das „Gesetz zur Stärkung eines aktiven Schutzes von Kindern und Jugendlichen (Bundeskinderschutzgesetzt BKiSchG)“ in Kraft. Es stärkt die Rolle von Kindertageseinrichtungen im Gesamtzusammenhang des Kinderschutzes.
„§ 8a SGB VIII richtet sich an die öffentlichen Träger der Jugendhilfe und präzisiert die Wahrnehmung des Schutzauftrages aus Art. 6 Grundgesetz. Über § 8a Abs.4 SGB VIII wird der Auftrag an die öffentlichen Träger erteilt, freie Träger von Einrichtungen durch Vereinbarungen in der Wahrnehmung des Schutzauftrages miteinzubeziehen“ (Das Bundeskinderschutzgesetz, Arbeitshilfe 2012:S.6). Dem freien Träger (Kindertagesstätten-Träger) wird durch die Neuregelung ein klarer Verantwortungsbereich übertragen. Es ist erforderlich, die beschäftigten pädagogischen Fachkräfte im Umgang mit Kindeswohlgefährdungen weiterzubilden, insbesondere auf die Möglichkeit der Inanspruchnahme der Beratung durch die sogenannten >insoweit erfahrenen Fachkräfte< hinzuweisen und ein Konzept für den Umgang mit Kindeswohlgefährdungen bereitzuhalten und zu etablieren“ (vgl. Bundeskinderschutzgesetz, Arbeitshilfe 2012:S.7).
Um dem § 72a SGB VIII gerecht zu werden, wird von allen frühpädagogischen MitarbeiterInnen ein erweitertes Führungszeugnis verlangt, welches alle fünf Jahre erneuert wird.
Unser Vorgehen
Wir als Kindertageseinrichtung nehmen unseren Kinderschutzauftrag gewissenhaft wahr. Uns ist bewusst, dass die meisten Eltern in unserer Einrichtung wohlwollend ihrem Kind gegenüber und zur Kooperation mit uns als Bildungseinrichtung bereit sind. Uns ist auch bewusst, dass es in jeder Familie zu „unruhigen“ Zeiten kommen kann. Wir sind immer bemüht, diese Zeiten gemeinsam mit Ihnen zu durchleben und Ihnen mit Rat und Tat zur Seite zu stehen. Das gehört zum normalen Kita-Alltag und wird nicht dem Bereich Kindeswohlgefährdung zugeordnet.
Vertrauen, Zusammenarbeit und Wertschätzung in schwierigen Zeiten
Manchmal verläuft das Leben aber eben nicht wie geplant. Das Familienleben kann sehr herausfordernd sein. Es ist ganz normal, dass auch ein erwachsener Mensch in schwierigen Situationen an seine Grenzen stößt. Wichtig ist, dass Sie sich Hilfe und Unterstützung holen, wenn Sie diese benötigen. Manchmal reicht schon ein Telefonat oder ein Tür- und Angelgespräch, um sich Luft zu machen und wieder optimistischer in die Zukunft blicken zu können. Tauschen Sie sich mit uns aus, damit wir wissen, was gerade bei Ihnen in der Familie los ist. Gerade diese Offenheit ist für uns sehr wertvoll, denn dann können wir Beobachtungen und Situationen realistischer einschätzen. Manchmal sind diese Beobachtungen und Situationen aber nicht eindeutig begründbar und undurchsichtig. Dann benötigen wir ein Instrument, das uns dabei unterstützt.
Die folgende Checkliste wird bei Verdacht auf eine Kindeswohlgefährdung als „Wegweiser“ angewandt. Diese wird nach und nach abgearbeitet und nur dann fortgeführt, wenn sich der Verdacht auf Kindeswohlgefährdung erhärtet. Ziel ist immer, dass die Erziehungsberechtigten „mit ins Boot“ geholt werden und durch Inanspruchnahme von unterschiedlichen Hilfen zur Erziehung (z.B. Familienberatung, psychologische Unterstützung, medizinische und diagnostische Verfahren etc.) unterstützt werden, ohne dass das Jugendamt hinzugezogen werden muss.
- Gewichtige Anhaltspunkte für eine Gefährdung erkennen (Beobachtung und Dokumentation).
- Einschätzung des Gefährdungsrisikos im Team (Kollegiale Beratung).
- Hinzuziehen der Kita-Fachberatung.
- Hinzuziehen der „Insoweit erfahrenen Fachkraft“ (InsoFa) – anonym und unverbindlich als Beratungsinstanz für die frühpädagogischen MitarbeiterInnen.
- Einbeziehung der Erziehungsberechtigten, soweit dadurch der Schutz des Kindes nicht in Frage gestellt wird.
- Erziehungsberechtigte auf Hilfen und Beratungsinstanzen verweisen.
- Informationspflicht gegenüber dem zuständigen Jugendamt (Landkreis Leer), sofern angenommen Hilfen nicht ausreichen oder nicht angenommen werden, um die Gefährdung abzuwenden.
Manchmal ist eine Kindeswohlgefährdung eindeutig (konkrete Schilderung des Kindes / anderen Familienmitgliedern, eindeutige körperliche Merkmale, Miterleben einer Kindeswohlgefährdung in der Kita, Androhung von Kindeswohlgefährdung durch die entsprechende Person, …). In solch einem
Fall ist die Kita-Leitung dazu verpflichtet, eine Meldung beim zuständigen Jugendamt oder bei der Polizei vorzunehmen.
Das gesamte Verfahren ist entsprechend zu dokumentieren.
(Quelle: Flyer Landkreis Leer / Frühe Hilfen „Kindeswohl in Gefahr“, Vorgehensschema)